Auslandstagung der AG Mediation in Lissabon


Erkenntnisreiche Vorträge und erhellende Diskussionen, eingebettet in der Stadt des Lichts Lissabon.

Die Teilnehmenden erwartete neben einem interessanten Rahmenprogramm Vorträge zur „Kurzzeitmediation“, zu dem „Recht der und in der Mediation“, zur „Haltung des Mediators/der Mediatorin in der Mediation“ und dem „Portugiesischem Mediationsgesetz“ sowie eine „mediationsanaloge Supervision“.

Prof. Dr. Roland Fritz, Rechtsanwalt und zertifizierter Mediator in Frankfurt am Main, stellte die „Kurzzeitmediation“ vor. Er erläuterte, dass in allen Bereichen, in denen Mediation nachgefragt werde, verstärkt ein Bedürfnis nach Lösungen in einem überschaubaren Zeitrahmen bestehe. Er betonte ausdrücklich, dass unter Kurzzeitmediation nicht eine „Mediation light“ zu verstehen sei. Vielmehr sei sie eine Mediation in verdichteter Form in einem verkürzten Zeitfenster.

Als Indikatoren, die eine Kurzzeitmediation möglich erscheinen lassen, identifizierte Roland Fritz die gemeinsame Zukunft der Medianten, ein überschaubarer Personenkreis, ein niedrigschwelliger Konflikt und ein begrenzbares Konfliktthema. Hochemotionale Konfliktbeteiligte bräuchten hingegen Zeit, so dass eine Kurzzeitmediation nicht die geeignete Mediationsform sei.

Gerade weil die Kurzzeitmediation sehr verdichtet sei, sei eine systematische und strukturierte Vorbereitung unabdingbar. Roland Fritz führte aus, dass der „Phase 0“ eine entscheidende Bedeutung zukomme. Es gehe für den Mediator/die Mediatorin in dieser Vorlaufphase darum, möglichst viel über den Konfliktgegenstand zu erfahren und die Konfliktbeteiligten zu identifizieren. Der Mediator /die Mediatorin entwickele sodann Hypothesen und erstelle ein dem konkreten Konfliktgeschehen und den Parteien gerecht werdendes Setting und Zeitmanagement.

In der Kurzzeitmediation werden dann die sechs Stufen der Mediation (Einführung, Themensammlung, Interessenerforschung, Optionssuche, Verhandeln und Vereinbaren) geteilt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Parteien eine Pause benötigen würden und dass eine Joker-Zeit (Zusatzzeit) als Arbeitsschritt einzuplanen sei. Denn der Mediator/die Mediatorin sei in der Kurzzeitmediation auch „Zeitregisseur/in“.

Dr. Thomas Lapp, Rechtsanwalt und zertifizierter Mediator in Frankfurt am Main, befasste sich mit dem „Recht der und in der Mediation“. Er diskutierte mit den Teilnehmenden das Für und Wider der Erteilung von Rechtsauskünften durch die Mediatoren. Es bestand Übereinstimmung, dass das Recht (nur) „eine“ Quelle von vielen für die Lösungssuche bei Mediationen sei.

Rege diskutiert wurde die Frage von Thomas Lapp, ob der Anwalt/die Anwältin nur für den Prozess verantwortlich sei oder die Medianten möglichweise gerade wegen seiner/ihrer Feldkompetenz auch den Anwalt/die Anwältin ansprechen und das Einfließen dessen/deren Expertise in den Prozess wünschen. Daran schlossen sich Diskussionen zu den Fragen an: Gibt es für die Erteilung von Rechtsauskünften Unterschiede zwischen Mediationen im Wirtschaftsbereich und im persönlichen/familiären Bereich? Wenn Rechtsauskünfte in den Prozess einfließen, wann ist dafür der geeignete Zeitpunkt? Bei einem Rollenspiel aus dem familiären Bereich wurde aufgezeigt, wie Mediatoren/Mediatorinnen mit dem Recht umgehen können.

Dr. Hanns-Uwe Richter, Rechtsanwalt und zertifizierter Mediator in Heidelberg, sprach über die „Haltung des Mediators/der Mediatorin in der Mediation“. Ausgangspunkt sei der Grundsatz der Allparteilichkeit. Er umfasse die Vorurteilsfreiheit, Unbefangenheit und Unvoreingenommenheit, Äquidistanz, Unparteilichkeit und Wertschätzung aller beteiligten Parteien. Der Vortrag befasste sich mit der Frage, wie der Mediator/die Mediatorin eine solche Allparteilichkeit schaffe und welche Haltung hierfür erforderlich sei. Hanns-Uwe Richter orientierte sich an den Grundsätzen von Carl Rogers. Danach erfordert eine solche Allparteilichkeit eine klientenzentrierte Gesprächsführung, die bei Mediator/der Mediatorin eine Haltung voraussetze, die Empathie, Kongruenz und bedingungslose positive Zuwendung umfasse. Unter Empathie verstehe man das einfühlende Verstehen, das nicht wertende Eingehen auf die Person. Sei der Mediator/die Mediatorin in einer Beziehung kongruent, so ermögliche dies ihm/ihr, sich auf den Gegenüber einzulassen und so die Welt mit dessen Augen zu sehen. Inkongruenz hingegen würde dem Medianten sofort auffallen. Es führe dazu, dass er sich nicht verstanden fühle und sich demzufolge verschließe. Durch eine bedingungslose positive Zuwendung bemühe sich der Mediator/die Mediatorin, dem Klienten eine nicht an Bedingungen geknüpfte Wertschätzung entgegenzubringen. Der Konfliktbeteiligte werde vom Mediator/der Mediatorin als akzeptiert angenommen, unabhängig davon, was der Klient äußere, unabhängig davon, wie er sich gebe und verhalte. Gelingt es dem Mediator/der Mediatorin nicht, Empathie, Kongruenz und bedingungslos dem Medianten positiv zugewendet zu sein, erfahr er/sie Widerstand. Dieser Widerstand zeige sich in Abwertungsversuchen des Gegenübers. Misstrauen, Distanz und Abwehrverhalten seien die Folge.

Wie könne nun der Mediator/Mediatorin seine/ihre wertschätzende Haltung den Parteien gegenüber erhalten oder wiedererlangen? Hierzu bedürfe es einer Rückbesinnung auf sich in den Zustand innerer Klarheit. Die Person zu verstehen, sei der Königsweg zu der allparteilichen inneren Haltung. Die Erkenntnis, das „Verstehen“ nicht „Einverstanden“ bedeute. Fühle sich die Partei gehört und verstanden, so geschehe nicht nur bei dieser etwas Öffnendes, sondern auch bei dem Mediator/der Mediatorin. Der Mediator/die Mediatorin kämpfe nicht mehr gegen den Widerstand der Partei und nicht mehr gegen einen inneren Widerstand. Die Chancen einer erfolgreichen Mediation steigen.

Lilly Fritz, zertifizierte Mediatorin und Supervisorin in Frankfurt am Main, demonstrierte die konkrete Anwendung der mediationsanalogen Supervision mit ihren Stufen „Fallvorstellung, Hypothesenbildung, Optionensuche sowie Verhandeln und Vereinbaren“ anhand eines konkreten Mediationsfalles einer Teilnehmerin. Der Fall umfasste Komplexe gesellschaftsrechtlicher Probleme im Kontext eines Familienunternehmens. Die Teilnehmenden warfen Fragen der Co-Mediation sowie auch des Einsatzes von Einzelgesprächen auf.

Schließlich stellte Prof. Dr. Roland Fritz das portugiesische Mediationsgesetz (Gesetz Nr. 29/2013 vom 19.04.2013) vor. Dieses Gesetz bestimme die für die Mediation in Portugal geltenden Grundsätze und Regelungen für Mediationen in Zivil-und Handelssachen, enthalte Vorschriften über die Mediatoren und regele die weitere öffentliche Mediation. Die öffentliche Mediation sei zum einen bei den Friedensgerichten angegliedert; zum anderen bestünden öffentliche Mediationssysteme der Familien-und Arbeitsmediation sowie des Täter-Opfer-Ausgleichs. Nach portugiesischen Recht sei eine im Wege einer Mediation erzielte Einigung unter anderem dann vollstreckbar, wenn sie unter Beteiligung eines Mediators zustande gekommen sei, der in der vom Justizministerium geführten Mediatorenliste eingetragen sei. Von der Vertraulichkeit könne - ähnlich wie in § 4 Mediationsgesetz - abgewichen werden. Im Übrigen sei der Inhalt von Mediationssitzungen nicht als Beweismittel vor Gericht zulässig. Für die Ausbildung und die Ausbildungsinhalte seien Verbände und Universitäten verantwortlich, die beim Justizministerium akkreditiert sein müssten, wenn sie sich für das öffentliche System zertifizieren möchten. Für die Ausbildung sei unter anderem eine Mindeststundenzahl von 180 Ausbildungsstunden vorgeschrieben, nicht hingegen Supervision oder Fortbildung.

RA Dr. Hanns-Uwe Richter, Wirtschaftsmediator, zertifizierter Mediator, Systemischer Coach, Heidelberg


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