Collaborative Law and Practice - Mit Familienrecht nachhaltig gestalten.
Thema auch beim Online-Salon am 19.9.2023 Kooperative Praxis und Mediation ist Thema bei der Jahrestagung AG Mediation 10./11.2023
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Das CLP Verfahren
Collaborative Law and Practice (CLP) hat als eigenständiges konsensuales Verfahren das Ziel, eine interessengerechte und selbstverantwortliche Einigung unter den Konfliktparteien herbeizuführen. Jede Konfliktpartei wird dabei von einer von ihr beauftragten CLP-Anwältin bzw. einem CLP-Anwalt parteilich vertreten. Die CLP-Anwälte nehmen die Aufgabe wahr, auf der Grundlage der Unterschiedlichkeit der Sichtweisen und Interessen ihre Mandanten darin zu unterstützen, eine Lösung zu erarbeiten. Die CLP-Anwälte treten parteilich für ihre Mandanten ein und haben gleichzeitig den Blick auf das gesamte Konfliktgeschehen. Sie schauen vom Standort ihres Mandanten auf das gesamte System.
Neben der Tätigkeit auf der Inhaltsebene (rechtliche Beratung) entwickeln die CLP-Anwältinnen und CLP-Anwälte eine Verfahrensstruktur, in der die jeweiligen Interessen aller Konfliktparteien zum Tragen kommen und in ein faires Verfahren münden. Die CLP-Anwältinnen/CLP-Anwälte unterstützen ihre Mandanten darin, über mögliche Lösungen des Konflikts nachzudenken und das Spektrum dieser zu erweitern.
Die Konfliktparteien können bei Bedarf von zusätzlichen Expertinnen und Experten unterstützt werden. Diese kommen aus unterschiedlichen Berufsfeldern wie zum Beispiel Coaching, Steuer- oder Finanzberatung. Bei Konflikten, von denen Kinder betroffen sind, kann eine Fachkraft für das Kind hinzugezogen werden.
Die CLP-Anwälte und - Anwältinnen erhalten von den Konfliktparteien die vertragliche Legitimation, untereinander Kontakt aufzunehmen, auch ohne deren Beisein. Mit dem Ziel, das CLP-Verfahren im Ablauf so zu gestalten, dass eine Einigung bestmöglich erreicht wird. (siehe unten, Punkt Arbeit im Team)
Eine hervortretende Besonderheit des CLP-Verfahrens ergibt sich aus der Qualifikationsklausel. Die CLP-Anwältinnen und CLP-Anwälte beenden ihren Auftrag, wenn eine Einigung im CLP-Verfahren nicht gelingt. Dies bedeutet für die CLP-Anwälte/CLP-Anwältinnen ausdrücklich, dass sie ihre Mandantinnen/ihre Mandanten nicht außergerichtlich in gleicher Angelegenheit streitig weitervertreten oder im gerichtlichen Verfahren die Vertretung übernehmen.
Diese Klausel qualifiziert die CLP-Anwältinnen/CLP-Anwälte für den Konsens. Das gemeinsame Bekenntnis aller Beteiligter zum Konsens setzt Energie frei, auch schwierige Phasen in der Verhandlung aus- und durchzuhalten.
Die CLP-Anwältinnen/CLP-Anwälte haben von ihren Mandanten einen Mandatsauftrag erhalten, in dem hier im Besonderen die Entbindung von der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht und die Qualifikationsklausel vereinbart werden. Weiter wird vereinbart, dass keine Zeugenbenennung der CLP-Anwälte im Falle eines gerichtlichen Verfahrens erfolgt. Die Vergütung wird gesondert vereinbart, entweder auf der Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes oder im Rahmen eines Stundenhonorars.
Die Konfliktparteien vereinbaren miteinander, dass sie eine einvernehmliche Regelung herbeiführen wollen, sie alle entscheidungserheblichen Tatsachen offenlegen und dass sie sich für den Fall, dass keine Einigung herbeigeführt wird, zur Verschwiegenheit verpflichten.
Einordnung in die Verfahrenslandschaft
Das CLP-Verfahren ist ein eigenständiges außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren, das dogmatisch bisher nicht abschließend in das anwaltliche Berufsfeld eingeordnet ist.
Der CLP-Anwalt/die CLP-Anwältin ist in einer Doppelrolle tätig: in Form der rechtlichen einseitigen Beratung und in Form der Verfahrensleitung im Zusammenspiel mit allen anderen Beteiligten. Hier insbesondere durch das verständnisgeleitete Anhören und Berücksichtigen des Anliegens der anderen Partei.
Die einseitige rechtliche Beratung behält dabei den Charakter der klassischen anwaltlichen Tätigkeit. Die Verfahrensleitung im Zusammenspiel mit allen anderen Beteiligten ist eine Veränderung und Erweiterung im anwaltlichen Berufsbild.
Die Schärfung des Rollenverständnisses erfolgt durch die Zweiparteilichkeit < 90°:
CLP-Anwälte/CLP-Anwältinnen agieren hiernach aus einem Rollenverständnis heraus, das geprägt ist von der parteilichen Verbundenheit mit ihrem Mandanten bei gleichzeitigem einfühlenden und einbeziehenden Verständnis für die andere Konfliktpartei.
Dieses empathische Einfühlen und Eindenken bleibt jedoch jederzeit < 90°. Hierin wird die Abgrenzung zur klassischen parteilichen Beratung und auch zur Mediation deutlich.
Im CLP-Verfahren braucht es eine neue Sensibilität und Übung, um die Zweiparteilichkeit < 90° professionell umzusetzen.
Geeignetheit des CLP-Verfahren
Das CLP-Verfahren eignet sich unter anderem in folgenden Fällen:
- Die Konfliktparteien haben den Wunsch nach parteilicher anwaltlicher Beratung und gleichzeitig den Wunsch einer einvernehmlichen Regelung.
- Die Konfliktparteien können temporär nicht eigenverantwortlich für sich einstehen und streben dennoch gemeinsam erarbeitete Regelungen an.
- Die Komplexität des Falles erfordert konkrete Beratung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht durch einen CLP-Anwalt/eine CLP-Anwältin, eine Fachkraft Kind oder einen Coach.
- Die Konfliktparteien befinden sich in einer hohen Eskalation (Stufe 6 - 8 n. Glasl).
- Dem Anliegen der Kinder der Konfliktparteien soll Raum gegeben werden.
“CLP turns you versus me into us versus the problem”
CLP und anwaltliches Berufsrecht
„Als unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten hat der Rechtsanwalt seine Mandanten vor Rechtsverlusten zu schützen, rechtsgestaltend, konfliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten …“. (§ 1 Abs. 3 BORA)
Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und berechtigt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BORA). Ein Verstoß liegt nicht vor, wenn das Verhalten des Anwaltes mit Einwilligung erfolgt (§ 2 Abs. 3a BORA). Der Mandant/die Mandantin kann die Rechtsanwältin/den Rechtsanwalt von der Verschwiegenheit entbinden. Der Mandant/die Mandantin ist Hüter/Hüterin des Geheimnisses (vgl. Randnummer 62 z § 43 a BRAO, Kommentar zur BRAO, Henssler, 5. Aufl. 2019)
Der Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin kann frei entscheiden, ob er/sie einen Auftrag annehmen will oder nicht (vgl. Randnummer 3 zu § 48 BRAO, Kommentar zur BRAO, Henssler, 5. Aufl. 2019)
Arbeit im Team
Die CLP-Anwältinnen/CLP-Anwälte haben als Team von den Konfliktparteien die übereinstimmende Legitimation (Entbindung von der Verschwiegenheit) erhalten, untereinander ohne Beisein der Konfliktpersonen Kontakt aufzunehmen. Ziel der Gespräche ist es, das CLP-Verfahren so zu unterstützen, dass eine Einigung bestmöglich erreicht wird.
Die CLP-Anwälte können ihr Fachwissen synergetisch bündeln. Spannen des Rechts werden aufgezeigt und mit den Mandanten erörtert. Die Konfliktparteien erarbeiten in Kenntnis und im Verständnis dieser Spannen selbstverantwortlichen Lösungen.
Die CLP-Anwältinnen/CLP-Anwälte können sich untereinander und mit dem Mandanten beraten, wenn durch emotionale Eskalationen eine Verfahrenspause, ein Zwischencoaching oder andere Interventionen sinnvoll erscheinen.
Durch diese Arbeitsmöglichkeiten gewinnt das Verfahren einen sicheren Rahmen, der den Konfliktparteien Halt und Orientierung gibt. Dabei müssen sich die CLP-Anwältinnen/CLP-Anwälte immer wieder bewusst sein, dass sie parteilich für ihren Mandanten eintreten und gleichzeitig den Blick auf das gesamte Konfliktgeschehen haben. Voraussetzung für das Gelingen ist auch hier das reflektierte Rollenselbstverständnis der CLP-Anwälte in Abgrenzung zu anderen Verfahren.
Petra Stolter
Rechtsanwältin und Notarin
CLP-Anwältin
Mediatorin BAFM®
Gerburg Lutter
Dipl. Sozialpädagogin
CLP- Fachkraft Kind
Mediatorin BM®/Ausbilderin
BM®
Links
ENCP - European Network for Collaborative Practice
https://www.encp.eu/de
IACP- International Academy of Collaborative Professionals
https://www.collaborativepractice.com/
ABA- American Bar Association
https://www.americanbar.org/about_the_aba/