Das aktuelle Interview: Mediatoren/Mitglieder der AG Mediation


Die Arbeitsgemeinschaft Mediation ist ein Zusammenschluss von vielen praktisch tätigen Mediatoren und Mediatorinnen. Wer aber sind die Mitglieder genau, warum beschäftigen sie sich mit Mediation und welche Ereignisse haben sie im Hinblick auf die Mediation geprägt? Diese und andere Fragen wollen wir in loser Folge unseren Mitgliedern stellen und im Newsletter veröffentlichen.

Den Anfang macht dabei Marcus Hehn, den viele von Ihnen als langjähriges Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses und unseren Veranstaltungen sicher kennen.

1. Was war ihre erste Begegnung mit Mediation oder anderen ADR-Ansätzen?

Meine erste Begegnung mit dem Thema Mediation fand Anfang der 1990er Jahre an der Universität in Siegen statt. Im Rahmen eines Promotionsvorhabens bei Prof. Dr. Wolfgang Perschel hat der Doktorant ein Seminar zum damals sowohl im juristischen als auch im politikwissenschaftlichen Bereich völlig neuen Thema „Mediation“ gehalten. Das Thema hat mich an der Schnittstelle zwischen Rechtswissenschaften und Sozialwissenschaften elektrisiert und seit dieser Zeit hat mich die Mediation insbesondere im beruflichen als auch im ehrenamtlichen Bereich nicht mehr losgelassen.

2. Haben Sie eine Mediationsausbildung gemacht? Wenn ja, was hat Sie veranlasst, eine Mediationsausbildung zu absolvieren?

Anfangs habe ich geglaubt, dass man alleine durch das Lesen vom Büchern und Aufsätzen gut gerüstet ist, um Mediation zu verstehen und auch als Mediator tätig zu sein. Das hat sich schnell als Trugschluss erwiesen. In den 1990er Jahren gab es zwar keine entsprechenden Anforderungen für die Tätigkeit als Mediator. Ich hatte dann im Rahmen eines Forschungsprojektes der Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen zur Implementierung der Umweltmediation in Deutschland die Gelegenheit, mir verschiedene Ausbildungen anzusehen und auch zu durchlaufen. Meine ersten Ausbilder waren Arno Stimec und Tim Ückermann im Rahmen einer deutsch-französischen Mediationsausbildung, die mich sehr beeindruckt hat. Darüber hinaus hatte ich auch die Gelegenheit, das Angebot der Fernuniversität Hagen in einem ersten Durchlauf als „Testkandidat“ kennenzulernen, wodurch ich viele wichtige Eindrücke gewonnen habe.

3. Sind Sie als praktischer Mediator tätig? Wenn ja, wo liegen Ihre Schwerpunkte?

Leider fehlt mir oft die Zeit, Mediationsverfahren in dem Umfang durchzuführen, wie sie an mich herangetragen werden. Daher beschränkt sich die praktische Mediationstätigkeit auf höchstens 1 – 2 Verfahren pro Jahr. Der Schwerpunkt liegt dabei bei Streitigkeiten im landwirtschaftlichen Bereich und damit im Rahmen meines beruflichen Wirkungskreises. Streitigkeiten zwischen Landwirten, ihren Familien, Nachbarn, Behörden und Lieferanten sind häufig sehr komplex und es lohnt sich tatsächlich, im Rahmen der Mediation auf die tieferliegenden Interessen zu schauen und Lösungen gemeinsam mit den Beteiligten zu erarbeiten.

4. Welche Person aus dem Bereich der Mediation hat Sie am meisten beeindruckt? Warum?

Es gibt viele Personen, die meinen Werdegang zum und meine Haltung als Mediator nachhaltig beeinflusst haben. Sie, die aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen, alle zu nennen, würde diesen Rahmen sprengen. Viele haben mir wertvolle Anstöße gegeben, um mein Mediationsverständnis zu entwickeln und zu verfeinern. Es gibt jedoch zwei Personen, die mich im Rahmen meiner Befassung mit dem Thema Mediation rückblickend am meisten beeindruckt haben. Zum einen möchte ich Wolfgang Perschel nennen, der sehr belesen und vor allen Dingen in gesellschaftspolitischen, philosophischen und juristischen Fragestellungen sehr bewandert war und mich neugierig für das Thema Mediation gemacht hat. Seit meinem Studium der Politikwissenschaften bei ihm in Siegen hat er mich über viele Jahre hin auch nach meinem Studium begleitet und wir haben insbesondere im Bereich der Mediation im öffentlichen Bereich viele fruchtbare Diskussionen geführt, von denen ich bis heute profitiere.
Die zweite Person, die mich insbesondere wegen seiner Persönlichkeit sehr beeindruckt hat, war Josef Duss-von Werdt, der mit seinem philosophischen und geschichtlichen Blick auf Konflikte ebenfalls maßgeblich zu meinem Verständnis der Mediation beigetragen hat. Leider leben beide heute nicht mehr.

5. Welches Erlebnis im Zusammenhang mit der Mediation ist Ihnen in besonders guter Erinnerung?

Wenn ich auf meine praktische Tätigkeit zurückblicke, ist es insbesondere ein Mediationsverfahren aus dem landwirtschaftlichen Bereich zwischen einem älteren Landwirtschaftsehepaar und seinen vier Kindern, welches mich am meisten beeindruckt hat. Die vier Geschwister haben über einen Zeitraum von 18 Jahren kein Wort miteinander gesprochen und es war absolut erstaunlich, mitzuerleben, wie durch konsequente Anwendung von Verfahrensgrundsätzen und Verfahrensablauf der Mediation und vor allem genügend Zeit nach und nach Vertrauen zwischen den Beteiligten entstand, sodass der Konflikt letztlich gelöst werden konnte. Dieses Verfahren, welches ich damals in Co-Mediation durchgeführt habe, hat mich vor allem gelehrt, wie wichtig es ist, den Argumenten Zeit zu geben, bei den anderen Beteiligten zu wirken und so einen wirklichen Perspektivwechsel herbei zuführen.

6. Und was war Ihr größter negativer Eindruck?

Meine schlimmste Erfahrung als Mediator war, als mich ein Beteiligter eines Mediationsverfahrens wenige Tage nach der ersten Sitzung ansprach und auf besondere Aussagen der Gegenseite hinwies. Auf meinen Vorhalt, dass ich so dies nicht verstanden hätte, teilte mir dieser mir, dass er das Gespräch mit seinem Mobiltelefon aufgezeichnet hätte und dies auch jeder Zeit – entgegen allen Vereinbarung für die Durchführung der Mediation – an anderer Stelle verwenden konnte. Selbstverständlich wurde die Mediation daraufhin unverzüglich abgebrochen. Meine Lehren im Hinblick auf Mobiltelefone bei Mediationsseitzungen habe ich daraus gezogen.

7. Was sind für Sie die wichtigsten Aspekte zum Gelingen einer Mediation?

Die wichtigsten Aspekte, die aus meiner praktischen Erfahrung zum Gelingen einer Mediation beitragen, sind Zeit und eine abwartende Herangehensweise des Mediators, was inhaltliche Vorschläge angeht. Ich habe immer wieder festgestellt, dass es sich durchaus lohnt, zurückhaltend mit eigenen Vorschlägen zu sein – obwohl es einen Juristen oft juckt, inhaltlich in solche Verfahren einzugreifen – und damit die Beteiligten quasi zu zwingen, sich selber Gedanken darüber zu machen, was für sie selber wichtig ist und wie sie in Zukunft miteinander auskommen wollen.

8. Wie sehen Sie den Markt für Mediation in Deutschland? In welche Richtung entwickelt sich der Markt und was sind die Punkte, auf die Mediatoren in wirtschaftlicher Hinsicht achten sollten?

Der Markt für Mediation in Deutschland ist sicherlich sehr groß, insbesondere, wenn die möglichen Konflikte, die sich für eine Mediation eignen, betrachtet werden. Allerdings zeigt die Praxis auch, dass nur die wenigsten Konflikte tatsächlich im Rahmen einer Mediation bearbeitet werden. Ob daran das in Deutschland sehr differenzierte System der Rechtschutzversicherungen oder vielleicht auch das gut funktionierende Gerichtssystem verantwortlich sind, mag einmal dahin gestellt bleiben. Ich meine nicht, dass sich der Markt für praktizierende Mediatoren so entwickelt, dass Mediatoren tatsächlich ausschließlich von dem Angebot der Mediation leben können. Dies wird nach wie vor einzelnen Mediatoren vorbehalten bleiben, die meist auch noch weitere Standbeine haben, die beispielsweise die Durchführung von Mediationsausbildungen. Dies ist letztlich aus meiner Sicht aus gut so, weil es auch eine finanzielle und soziale Unabhängigkeit für Mediatoren geben muss, um nicht von der Durchführung von einzelnen Mediationssitzungen abhängig zu sein. Denn nur wenn die soziale und finanzielle Unabhängigkeit gewehrt ist, bin ich als Mediator auch frei, die Durchführung von Mediationsverfahren abzubrechen oder gar von Beginn an abzulehnen. Ich meine, dass muss letztlich auch jede Mediatorin wissen, die sich für eine Ausbildung entschließt. Derjenige, der hofft, allein durch die praktische Mediatorentätigkeit sein Einkommen fristen zu können, wird oft enttäuscht. Aber das ist kein Grund, eine Mediationsausbildung nicht zu absolvieren. Es ist häufig so, dass gerade im Rahmen einer Mediationsausbildung die Teilnehmer viel über sich selbst und den Umgang mit Konflikten lernen, was auch für alle anderen Berufe von unschätzbarem Wert ist.

9. Wie sehen Sie das Verhältnis von Anwaltstätigkeit und Mediation? Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten, wo sehen Sie Unterschiede oder gar Gegensätze? Wie lassen sich die verschiedenen Rollen miteinander vereinbaren?

Anwaltstätigkeit und Mediation schließen sich selbstverständlich nicht aus. Allerdings bin ich kein Freund davon, in einer Situation erst Anwalt und dann Mediator (oder umgekehrt) zu sein und die verschiedenen Rollen kurzfristig zu vermischen. Ich halte es für wichtig, in der jeweiligen Situation sich selbst und den anderen Beteiligten deutlich zu machen, ob ich den Hut als Rechtsanwalt oder Hut als Mediator aufsitzen habe und mich entsprechend verhalte. Wie bereits angedeutet, ist die Befassung mit der Mediation und ihren Grundsätzen durchaus hilfreich, um auch als Rechtsanwalt davon zu profitieren, weil beispielsweise Positionen zum Wohle des Mandanten besser hinterfragt und im Rahmen anwaltlicher und gerichtlicher Auseinandersetzung auch besser angebracht werden können. Daher erfordert es meiner Meinung nach die Entwicklung einer konkreten differenzierten Haltung, um es mir immer wieder vor Augen zu führen, welche Rolle ich denn tatsächlich gerade innehabe. Alleine vor diesem Hintergrund verbietet es sich für mich auch, Rechtsberatung und Mediation zu vermischen, vor allem, wenn damit möglicherweise finanzielle Aspekte verfolgt werden.

10. Was könnte man tun, um Mediation in der Anwaltschaft stärker zu etablieren?

Der wichtigste Aspekt, um das Vertrauen der Anwaltschaft in die Mediatoren besser zu verankern, ist die Schaffung von Vertrauen. Dies betrifft insbesondere die Mediatoren. Es ist nicht so, dass die Mediatoren die besseren Rechtsanwälte sind, sie sind etwas anderes. Daher sollte auch ein Mediator in einem Mediationsverfahren deutlich machen, dass die beratenden Rechtsanwälte der Parteien nach wie vor ihre Bedeutung haben (und auch ihre Tätigkeit abrechnen können). Diese klare und strikte Trennung ist meiner Meinung nach notwendig, um vor allem Vorbehalte der Kolleginnen und Kollegen, die nur anwaltlich tätig sind, zu zerstreuen.

11. Welche Fälle halten Sie für Mediation besonders geeignet oder besonders wenig geeignet?

Aus meiner Sicht sind insbesondere diejenigen Konflikte, bei denen die Beteiligten nach Beendigung des Konfliktes weiterhin persönliche oder wirtschaftliche Beziehungen miteinander pflegen müssen, besonders für eine Mediation geeignet. Bei Einmal-Konflikten, wie beispielsweise einem Autounfall unter Fremden, ist dies nicht so und in solchen Konstellationen spielen oft rein wirtschaftliche Aspekte die Hauptrolle. Dies ist allerdings anders, wenn – wie in dem von mir besonders bevorzugten landwirtschaftlichen Bereich - die Beteiligten immer wieder durch räumliche oder berufliche Nähe miteinander verbunden sind und Konflikte, die nicht sachgerecht bearbeitet werden können, eine sehr lange und dann destruktive Wirkung haben können. Ich kenne keinen Bereich außerhalb der Landwirtschaft, bei denen die Konfliktbeteiligten enger und häufiger miteinander zu tun haben als es dort der Fall ist. Deshalb ist gerade dieses Feld ein durchaus lohendes für frischgebackene Mediatorinnen und Mediatoren.

12. Haben Sie einen konkreten Wunsch an die Arbeitsgemeinschaft Mediation?

Eine konkreten Wunsch an die Arbeitsgemeinschaft Mediation habe ich eigentlich nicht. Ich meine, dass die Arbeitsgemeinschaft Mediation in den über 20 Jahre ihres Bestehens viele wichtige Impulse sowohl in berufsrechtlicher als auch in mediationspraktischer Hinsicht gegeben hat. Dies betrifft insbesondere auch die Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgemeinschaften des Deutschen Anwaltsvereins. Dabei wurde häufig deutlich, dass es gerade die nichtjuristischen Themen sind, die für die Teilnehmer von Veranstaltungen oft nachhaltig in Erinnerung bleiben, eben weil sie aus dem rechtsanwaltlichen Alltag herausragen. Gerne erinnere ich mich beispielsweise an Veranstaltungen im Rahmen des Deutschen Anwaltstages, bei denen wir mit den Teilnehmern gestritten, visualisiert oder gar gespielt haben.

Das Interview führte Susann Barge-Marxen.


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