Das reinigende Gewitter

In diesem Beitrag geht um die die wichtige Frage, warum Emotionen in der Mediation nicht zu vernachlässigen sind und welche Chancen sie bieten.


Das „reinigende“ Gewitter oder warum Emotionen so wichtig sein können

Die Weihnachtszeit liegt hinter uns und damit auch wieder viele familiäre Konflikte. Es ist also Zeit, sich in unserem heutigen Newsletter wieder einmal mit der Familienmediation zu beschäftigen.

Der Mediator* hat es insbes. in der Familienmediation –wie kaum sonst in Mediationen- mit starken Emotionen zu tun. Durch eine Trennung werden Gefühle wie Eifersucht, Hass, Rache, aber auch Traurigkeit, Verlustängste oder Minderwertigkeitsgefühle erzeugt. Die Schwierigkeit in der Konfliktbearbeitung liegt nun darin, diese Gefühle zuzulassen, aber auf der anderen Seite nicht die Bearbeitung des Sachkonfliktes damit zu belasten. Insbes. in der Familienmediation hat sich deshalb das Modell der Trennung von Sach- und Beziehungsebene etabliert. Die Sachebene betrifft den Konflikt um Ressourcen wie etwa Unterhalt, gemeinsame Besitztümer oder Altersabsicherung. Die Beziehungsebene betrifft vielmehr die Trennung des Paares als Mann und Frau oder die Beziehung der Personen im Unternehmen und die damit verbundenen Emotionen. Wird der Konflikt nicht durch einen Mediator entsprechend strukturiert, kommt es in der Praxis immer wieder zu Vermischungen auf den unterschiedlichen Ebenen und der Konflikt flammt immer wieder neu auf.

Schwierig ist in diesem Kontext der Umgang mit den Emotionen der Beteiligten; werden diese gänzlich vernachlässigt, kann der Konflikt u.U. nicht gelöst werden. Es hat sich in der Praxis gezeigt, dass es durchaus sinnvoll ist, Emotionen (in einem begrenzten Umfang) zuzulassen. Häufig führen solche Ausbrüche zu reinigenden Gewittern, nach denen die Parteien sich danach zumindest auf einer Arbeitsebene wieder aufeinander einlassen können. Oftmals werden Konflikte auch erst durch die gezeigten Emotionen deutlich.

Beispiel: In einer Mediation in einem Familienunternehmen kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen dem Seniorpartner und dem Juniorpartner. Beide Seiten nutzen alle Möglichkeiten, dem anderen das Leben schwer zu machen. Lässt der Mediator in diesem Verfahren zu, dass auch Gefühle zum Ausdruck gebracht werden, ist es sehr wahrscheinlich, dass er den Konflikt in der Gesamtheit erfasst. In solchen Konfliktfeldern geht es häufig darum, dass der Senior sich nicht mehr gebraucht fühlt und vermeintlich seine Position stärken will und der Junior sich seinen „Status“ meint erkämpfen zu müssen.

Wichtig ist aber in diesem Zusammenhang, dass die Emotionen nicht bis ins Unendliche ausufern dürfen, denn dann kann der gegenteilige Effekt eintreten. Gerade bei Familienmediation haben die Betroffenen häufig eine Konfliktgeschichte hinter sich, die sich durch wiederholende Auseinandersetzungen auszeichnen und sich immer wiederholen. Der Streit wird also wieder und wieder wiederholt, es tritt aber keine Klärung ein.

In der Praxis hat es sich bewährt, dass der Mediator in solchen Eskalationssituationen zunächst die Situation aushält, um für die vorhandenen Emotionen ein Ventil zu schaffen. Dementsprechend empfiehlt sich ein Eingreifen erst dann, wenn bei den Parteien erste Ermüdungserscheinungen oder Fluchttendenzen sichtbar werden.

Der Mediator kann an dieser Stelle nun eingreifen und z.B.

  • auf die in der Mediation vereinbarten Regeln hinweisen.

  • auf das in aller Regel nach Stunden berechneten Honorar hinzuweisen

  • die Emotionen wertschätzen und die Situation zusammenfassen.

Oft reicht schon die Intervention eines Dritten, um den Kreislauf der Auseinandersetzung zu unterbrechen. Dies liegt an 2 Faktoren: a) das eine ist die in der Regel räumliche Veränderung. Die Parteien sind gewohnt in ihrem häuslichen Umfeld zu streiten und nicht im Büro oder Besprechungsraum eines Dritten. b) Zweitens: in der Regel wird den Parteien ihr Streitmuster deutlich und da emotional bereits „Dampf“ abgelassen werden konnte, kann wieder auf die Sachebene geschaut werden.

Auf keinen Fall sollte der Mediator sich scheuen, die Emotionen aufzunehmen und sich damit die Chance, den wahren Konflikt herauszuarbeiten, entgehen zu lassen.

Diese Überlegungen gelten selbstverständlich nicht nur für Mediationen mit Familienbezug, sondern auch für alle anderen Mediationen. Auch im Gesellschaftsrecht sollte der Mediator nicht die Kraft der Emotionen unterschätzen, gerade in diesem Bereich liegen die Konflikte oberflächlich auf der Sachebene, haben ihre Ursache oftmals aber auch in Emotionen, wie Kränkung, Eifersucht, sich nicht mehr gebraucht fühlen o.ä. Wenn ich hier als Mediator mich gar nicht mit den Gefühlen beschäftige, kann es sein, dass ich den wahren Konflikt nicht ermesse und zwar eine Lösung finde, die dann aber nicht nachhaltig ist, weil diese „nicht gefühlt“ wird.

Angelika Flechsig, RA und Notarin, Mediatorin

*soweit von Mediator die Rede ist, ist hiermit auch die Mediatorin gemeint 


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