Fragen bitte in der richtigen Reihenfolge

Fragen sind wichtige und mächtige Werkzeuge, Fragetechnik will aber auch gelernt sein. Auch die richtige Reihenfolge der Fragen ist wichtig.


Neben der richtigen Fragetechnik, insbesondere der richtigen Formulierung, sind auch Zeitpunkt und Reihenfolge bei mehreren Fragen relevant für die möglichen Ergebnisse.

Kahnemann (Schnelles Denken, langsames Denken, 2011) beschreibt eine Befragung von deutschen Studierenden, bei der folgende Fragen gestellt wurden:

  • Wie glücklich fühlen Sie sich zur Zeit?

  • Wie viele Verabredungen hatten Sie im letzten Monat?

Bei der Auswertung der Fragen wurde auf die Korrelation zwischen beiden Antworten geachtet. Zur Überraschung der Experimentatoren gab es keine Korrelation. Anders waren die Ergebnisse bei der parallel durchgeführten Befragung anderer Studierender mit den gleichen Fragen in umgekehrter Reihenfolge:

  • Wie viele Verabredungen hatten Sie im letzten Monat?

  • Wie glücklich fühlen Sie sich zur Zeit?

Bei der Auswertung dieser Gruppe wurde die größtmögliche Korrelation zwischen den Antworten auf die beiden Fragen festgestellt. Ein erstaunliches Ergebnis, aber einfach zu erklären. Bei der Frage nach ihrem persönlichen Glücksgefühl dachten die Studierenden nicht direkt an die Anzahl ihrer Verabredungen. Die Anzahl der Verabredungen war auch keine Bewertung, sondern einfach eine Frage der Erinnerung. Die vorangegangene Frage nach dem Glück hatte darauf keinen Einfluss mehr. Die Frage nach dem Glücksgefühl ist dagegen komplexer und setzt Nachdenken und Abwägungen voraus. Die Studierenden, die kurz zuvor nach der Anzahl der Verabredungen gefragt worden waren, mussten nicht angestrengt nachdenken, weil die zuvor beantwortete Frage nach den Verabredungen in eine ähnliche Richtung ging und bereits beantwortet war. Bei den Verabredungen ging es um die Frage, wie glücklich sie mit ihrem Liebesleben sind und die Antwort wurde einfach auf die komplexere 2. Frage nach dem allgemeinen Glücksgefühl übertragen. Das Gehirn hatte eine einigermaßen passende Antwort parat und musste nicht nachdenken und abwägen.

Wurden die Studierenden jetzt manipuliert und setzten Verabredungen mit Glücksgefühl im allgemeinen gleich? Wohl kaum - wahrscheinlich hätten die Studierenden die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Verabredungen und Glücksgefühl verneint. Diese Frage wurde ihnen aber nicht gestellt. Vielmehr wurde ihnen die komplexe Frage nach dem Glücksgefühl gestellt und das Gehirn hatte aufgrund der vorangegangenen Frage bereits eine gute Antwort parat.

Ähnliche Relationen könnte man auch mit anderen vorangehenden Fragen erzielen, die im weitesten Sinne mit Glück assoziiert werden können. Wird das Gehirn mit einer komplexen Frage befasst, nachdem zuvor eine im weitesten Sinne thematisch ähnliche Frage bereits beantwortet wurde, greift das Gehirn auf diese vorangegangene Antwort zurück, um komplexen Überlegungen zur neuen Frage auszuweichen. Dies geschieht unbewusst und unbemerkt.

Man kann versuchen, derart allgemeine und komplexe Fragestellungen durch vorangeschaltete einfacher Fragen zu beeinflussen. Auf diese Weise kann man auch versuchen, die Bedeutung bestimmter Themen für die größere Fragestellung stärker zu betonen. Die Grenze zur Manipulation ist schmal und sollte vermieden werden. Man sollte in erster Linie versuchen, nicht versehentlich in die Falle zu tappen und mit vorgeschalteten Fragen Ergebnisse zu lenken.

Sinnvoller eingesetzt in einer Mediation kann die Kenntnis dieses Zusammenhangs ein Schlüssel dafür sein, schwer zu verstehende Reaktionen von Menschen nachzuvollziehen und besser zu verstehen. Gegebenenfalls könnte man bei unserem Beispiel die Frage nachschieben, ob Verabredungen allein maßgebend für das persönliche Glück sind oder nicht vielleicht andere Faktoren auch eine Rolle spielen. Anschließend wäre die Frage neu zu bewerten.

(Thomas Lapp)


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