Heiligt der Zweck die Mittel? – Für und Wider der „angeordneten“ Mediation


In privatrechtlich organisierte Firmen, aber auch in Behörden ist es durchaus üblich, dass die Firmenleitung oder ein Vorgesetzter seine Mitarbeiter „anweist“, ein Mediationsverfahren durchzuführen.1 Üblicherweise spricht man dann von sogenannten „angeordneten“ Mediationen. Dabei spielt zum einen häufig eine Rolle, dass der Vorgesetzte das Problem gelöst haben will, weil sich der Konflikt z. B. auf die Arbeitsleistung oder die Stimmung im Betrieb negativ auswirkt; zum anderen fallen ungelöste Konflikte im Verantwortungsbereich eines Vorgesetzen häufig auf ihn zurück, weil die Bereinigung von Konflikten zur Führungsaufgabe des Managers gezählt wird.

Allerdings kann man zurecht die Frage aufwerfen, ob nicht eine „angeordnete“ Mediation schon ein Widerspruch in sich ist. Eines der Hauptprinzipien der Mediation ist schließlich die Freiwilligkeit des Verfahrens, die darüber hinaus auch in §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 MediationsG gesetzlich verankert ist. Es geht damit letztlich um die Frage, was unter Freiwilligkeit zu verstehen ist. An dieser Stelle der Hinweis, dass natürlich auch andere Mediationsprinzipien wie etwa die Vertraulichkeit oder die Eigenverantwortlichkeit betroffen sein können. Ausführungen hierzu würden aber den Rahmen dieses Beitrags sprengen, sodass hier nur die Freiwilligkeit näher beleuchtet werden soll.2

Wenn man es genau betrachtet, gibt es praktisch keine Mediation, die ohne äußeren oder inneren Zwang stattfindet. Das Einzige, was dabei differiert, ist die Intensität des Zwangs. Wenn wir also als Beispiel eine Familienmediation (Eltern/Kind) betrachten, hängt die Bereitschaft der Beteiligten in ein solches Verfahren zu gehen doch entscheidend davon ab, wie sehr der Konflikt etwa die Eltern belastet. Überschreitet „der Nervfaktor“ eine gewisse, subjektiv vorhandene Schwelle, schreiten die Eltern zur Tat, um die Konfliktsituation zu bereinigen. Dennoch gibt es auch hier einen gewissen Zwang zur Konfliktlösung, in diesem Fall den Leidensdruck. Das Freiwilligkeitsprinzip der Mediation ist daher nicht als „Freiwilligkeit im absoluten Sinne“ zu verstehen.3

Bei „angeordneten“ Mediationen tritt neben den Leidensdruck noch ein zusätzlicher Faktor von außen hinzu, also etwa die Ansage des Chefs, eine Mediation durchzuführen. Allerdings ist auch hier trotz eines gewissen Zwangs eine Mediation möglich, denn letztendlich kann in privaten Unternehmen der Angestellte eine Mediation auch ablehnen, wenn er diese partout nicht durchführen will oder aus einem laufenden Verfahren jederzeit aussteigen. Wird eine Mediation abgelehnt, wird der Konflikt manchmal über das Arbeitsrecht gelöst z. B. durch eine Versetzung, Entlassung, oder freiwillige Kündigung.

Allerdings sollte der Mediator bei solchen innerbetrieblichen Mediationen darauf achten, dass im Verfahren jederzeit sichergestellt ist, dass die Betroffenen auch tatsächlich jederzeit ohne Nachteile aus der Mediation aussteigen können. Wenn dies gewährleistet ist, ist in aller Regel das Freiwilligkeitsprinzip eingehalten. Daher kann man festhalten, dass eine „angeordnete“ Mediation nur dann unzulässig wäre, wenn diese obligatorisch für die Betroffenen vorgesehen ist, es also keine Möglichkeit gibt, ihr auszuweichen.4  Eine solche Konstellation ist in aller Regel weder in der Privatwirtschaft noch bei Angestellten im öffentlichen Dienst gegeben. Die Rechte der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis verhindern dies.

Etwas komplizierter ist die Situation bei Beamten, da hier gegenüber dem Dienstherrn eine sogenannte Gehorsamspflicht besteht. Eine ausführliche Darstellung für diese Fälle findet sich bei Kracht, „Angeordnete“ Mediation, ZKM 2022, S. 89 ff.

Sind damit „angeordnete“ Mediationen grundsätzlich zulässig, soll an dieser Stelle nun ein Blick auf die positiven Auswirkungen solcher Verfahren geworfen werden. Oft ist es bei innerbetrieblichen Konflikten so, dass sich diese über einen längeren Zeitraum entwickeln. Verstimmungen führen zu Verhärtungen und diese dann zu echten Konflikten. Oft sind die Betroffene nicht in der Lage, diese Konflikte vernünftig zu bearbeiten, man versucht die Streitigkeit auszusetzen oder bildet Koalitionen, in denen man über die jeweilige andere Seite spricht. Kommt die Konfliktdynamik dann bei den Vorgesetzten an, reicht häufig eine einfache Intervention nicht mehr aus, um den Konfliktstatus zu verändern. Häufig wird dann über Versetzungen, aber auch Entlassungen der Konflikt vom Management „gelöst“. An dieser Stelle zeigen sich dann die Vorteile einer „angeordneten“ Mediation. Die Konfliktparteien bekommen von außen ein Anstoß, über ihr bisheriges Konfliktverhalten nachzudenken, ohne dass gleich arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen. Dadurch wird das Mediationsverfahren von einer Autoritätsperson (Vorgesetzter) empfohlen und häufig führt dies in der Praxis dazu, dass sich die Beteiligten auch ein Mediationsverfahren überhaupt einlassen. „Kann ich mir ja mal anschauen, wird zwar eh nichts bringen, schadet ja aber auch nicht“ ist eine häufige Einstellung von Betroffenen in der Praxis. Wenn der Mediator die Beteiligten an dieser Stelle abholt, die Freiwilligkeit beachtet (jederzeitige Ausstiegsmöglichkeit ohne Nachteile) und auch die Vertraulichkeit sicherstellt, führen solche Mediationsverfahren in der Praxis ganz häufig zu guten Ergebnissen, über die vor allem die Parteien immer wieder überrascht sind. Insofern sind auch „angeordnete“ Mediationen sowohl für die Parteien also für die Verbreitung von Mediation in der Gesellschaft ein echter Gewinn.

Fazit: Der Zweck muss in diesem Fall gar nicht die Mittel heiligen! Bei „angeordnete“ Mediationen muss der Mediator natürlich einige Besonderheiten berücksichtigen (vor allem im Bereich der Freiwilligkeit). Wenn er diese aber beherzigt, sind auch „angeordnete“ Mediationen ein Gewinn für die Beteiligten und für die Verbreitung der Mediation in der Gesellschaft.

Rain Angelika Flechsig, Unna  


1 Kracht, „Angeordnete“ Mediation, ZKM 2022, S. 89 (89).

2 Eine ausführliche Analyse zu allen betroffenen Prinzipien bei Kracht, „Angeordnete“ Mediation, ZKM 2022, S. 89 ff.

3 Kracht, „Angeordnete“ Mediation, ZKM 2022, S. 89 (90).

4 Kracht, „Angeordnete“ Mediation, ZKM 2022, S. 89 (90).


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