Interview mit Tabea Lieberum
Tabea Lieberum wird bei der Jahrestagung Mediation und Yoga vorstellen. Lernen Sie Frau Lieberum hier im Interview kennen.
1) Guten Tag, Frau Lieberum. Sie sind nicht nur als Rechtsanwältin bei "Schmitz Knoth Rechtsanwälte" im Bank- und Kapitalmarktrecht und gewerblichen Rechtsschutz tätig, sondern bieten als zertifizierte Yogalehrerin Ihre eigenen Kurse an. Welche waren bisher Ihre prägendsten Erfahrungen in beiden Berufen?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Im Yogabereich habe ich – bevor ich mit dem Unterrichten anfing – selbst schon mehr als vier Jahre lang praktiziert. Dabei habe ich für mich gemerkt, dass die anzuwendenden Techniken ankommen – im Körper und im Geist: Es macht einen Unterschied, ob man eine Gymnastikklasse besucht oder Teil eines Yoga-Kurses ist. Yoga bringt den Menschen auf eine andere Frequenz. Der Körper verdaut dabei Erlebnisse und Empfindungen. Wenn man die Yogaklasse verlässt, hat sich stets ein kleiner Schalter umgelegt. Dass dieses Gefühl von Veränderung nach jeder Stunde vermittelbar ist, finde ich erstaunlich – und es funktioniert bei Personen aus verschiedensten Gruppen, mit unterschiedlichen Erfahrungen und Alltagsabläufen.
Für meine Anwaltstätigkeit fällt mir keine konkrete Situation ein, die Ausübung dieses Berufs empfinde ich vollumfassend als prägend. Die reine Praxis nach dem theorielastigen Studium schafft Veränderung – auch in einem selbst. Man fängt an, anders zu kommunizieren, sich mit Leuten auseinanderzusetzen, die mal ein kleineres, mal ein größeres Problem haben – doch für die Einzelperson hat es immer eine gewisse Größe. Ein Problem hat keine Mindestgröße – es ist und bleibt ein Problem, das wir bestmöglich zu lösen versuchen. So wird man verantwortungsvoller Teil der Problemlösung – eine prägende Angelegenheit!
2) Rechtsanwältin und Yogalehrerin - was hat Sie zu diesem Rollen-Mix inspiriert?
Es war nie von mir geplant. Der Rollenmix ist zu mir gekommen, indem ich Yoga übte, in die Materie eintauchte und somit auch die Philosophie hinter den vielfältigen Techniken erfuhr. Diese hat mich meist derart berührt, dass ich unbedingt noch mehr über Yoga wissen wolle. Auf diese Weise bin ich auf die Idee gestoßen, eine Ausbildung in diesem Bereich zu absolvieren. Für mich gab es keine Alternative mehr, nachdem Yoga eins meiner größten Interessen wurde.
3) Wie planen Sie ihre Woche, sodass keine der beiden Tätigkeiten zu kurz kommt?
Ich arbeite in einer 4-Tage-Woche und unterrichte dann an den freien Tagen, ein Mal auch unter der Woche nach der Kanzleiarbeit. Diese Einteilung funktioniert für mich sehr gut!
4) Inwiefern hat sich Ihr Blick auf den Anwaltsberuf durch das Praktizieren von Yoga verändert?
In manchen Situationen die Fähigkeit zu haben, den Sachverhalt aus einer gewissen Distanz zu betrachten – das ist total wichtig. Manchmal steckt man als Rechtsanwalt dermaßen in einem Fall, dass alles andere Persönliche in den Hintergrund rückt – der Tunnelblick nimmt das gesamte Sichtfeld ein. Nebenbei Yoga zu praktizieren hat mir geholfen, die Lage wieder ins Verhältnis zu setzen. Neben den juristischen Fällen gibt es auch noch andere gleichwertige wichtige Aspekte des Alltags, die man in der Anwaltstätigkeit allerdings zu schnell aus den Augen verliert. Dazu gehören unter anderem der eigene Haushalt und das Pflegen sozialer Kontakte.
5) Welche physischen und psychischen Vorteile birgt regelmäßiges Yoga?
Yoga stärkt den Körper – Knochen, Muskeln, einfach alles. Auf psychischer Ebene werden die Nerven gestärkt – und damit auch die eigene Resilienzfähigkeit. Yoga lässt Konflikte im Alltag leider nicht verschwinden, trotzdem stärkt sich die Fähigkeit, immer wieder zu einem Punkt der Balance zurückzufinden.
6) Ihr Fokus liegt auf Traditional Tantric Hatha, Yin Yoga und Ayurveda. Was macht die einzelnen Bereiche aus?
Für mich greifen alle drei Bereiche ineinander über – es bildet die Essenz der Ausbildung, die ich in meinen Kursen weitervermittele. Früher war ich auch im Yoga sehr sportlich unterwegs, heute bevorzuge ich ruhigere Bewegungsabläufe und Meditation, um dem stressigen Alltag einen Gegenspieler zu bieten. Gerade im Yin Yoga nimmt man häufig Positionen ein, in denen man zehn Minuten lang verharrt, um an sein tiefes Gewebe und die Organe zu gelangen.
7) Mit welchen Yoga-Übungen kann ein absoluter Anfänger starten? Wie kann er/sie diese im Alltag umsetzen?
Bewusstes, ruhiges Atmen ist ein guter Start! Die Atmung kann viel über den eigenen Körper verraten. Wenn wir gestresst sind, atmen wir viel flacher und schneller. Indem wir wieder erlernen, ruhig zu atmen, signalisieren wir dem Körper, dass er sich nun auch ausruhen darf. Allein schon das Beobachten der Atmung, ohne Kontrolle auf den Prozess auszuüben, benötigt Übung.
8) Was kann ein Rechtsanwalt von einem Yogalehrer lernen - und andersherum?
Der Rechtsanwalt kann vom Yogalehrer definitiv die Fähigkeit erlernen, Distanz einzunehmen, in die Beobachterrolle zu schlüpfen und damit die Dinge wieder in Verhältnis zu rücken. Der Yogalehrer kann sich vom Rechtsanwalt die Struktur abschauen: In der Yoga-Klasse sollte man den Teilnehmenden die Techniken präzise erklären und bei Fragen verständnisvoll reagieren. Klare Kommunikation – da können sich Yogalehrer von den Rechtsanwälten eine Scheibe abschneiden.
9) Was möchten Sie Ihren Kolleg*Innen zu guter Letzt noch mitteilen?
Als Yogalehrerin möchte ich Ihnen mitteilen, dass Yoga kein Allheilmittel ist. Es gibt hierbei kein One-Size-Fits-All-Konzept. Jeder kann für sich selbst eigentlich schon ziemlich gut einschätzen, was ihm gefällt und was er gerne macht. Für manche ist es spazieren, für andere wiederum lesen oder Freunde treffen. Juristen tendieren dazu, schnell nach links und rechts zu blicken und zu schauen, was die Kolleg*innen machen. Davon rate ich eher ab, es ist wichtig, auf seine eigene innere Stimme zu hören, wenn es darum geht, was in einem positive Gefühle auslöst. Yoga muss es nicht sein – kann es aber!