Mediation und Zauberei

Mediationszauber stand auf dem Programm der Jahrestagung der AG Mediation am Timmendorfer Strand. Wie passen Zauberei und Mediation zusammen, welche Parallelen gibt es zwischen beiden?


Mediation und Kommunikation

Mediation ist nach § 1 MediationsG ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben. Zu den Verfahrensprinzipien wird regelmäßig auch die nicht in § 1 MediationsG genannte Informiertheit gezählt (vgl. Pielsticker, in: Fritz/Pielsticker, Teil 1, § 1 Rn. 23). Darunter wird verstanden, dass die Konfliktparteien sich über den tatsächlichen und den rechtlichen Rahmen ihres Konflikts im klaren sind. Nach § 2 Abs. 2 MediationsG vergewissert sich der Mediator, dass die Parteien die Grundsätze und den Ablauf des Mediationsverfahrens verstanden haben.

Zauberkünstler wollen durch verbale und nonverbale Kommunikation unter Verwendung verschiedener Techniken und Methoden (sogenannten Tricks) bei den Betrachtern Illusionen und Emotionen auslösen. Zauberkünstler nutzen unter anderem Erkenntnisse der Psychologie, sowie das Wissen um Wahrnehmungslücken und nicht allgemein bekannte physikalische Zusammenhänge und mathematische Gesetze. Die Menschen wissen, dass Zauberkünstler ihre Kunststücke durch Anwendung von Techniken schaffen und nicht durch übersinnliche Kräfte. Trotzdem schaut man gerne zu, um sich verzaubern zu lassen oder die Methoden zu erraten.

Tricks

Während wir Tricks, Täuschung und List häufig eher negativ betrachten, wird dies in China ganz anders gesehen. Dort wurde ein Katalog von 36 Strategemen erarbeitet, der zum Unterrichtsstoff in der Schule gehört. Eine List wird in China beschrieben mit „etwas Außergewöhnliches erzeugen, um den Sieg zu erringen“ (Harro von Senger, 36 Strategien für Manager, S. 15). Ähnlich neutral beschreibt auch der Duden die List, was aber im allgemeinen Bewusstsein nicht angekommen ist. Das Strategem Nr. 7 lautet: „Aus einem Nichts etwas erzeugen.“ Vordergründig wird hier etwas vorgespiegelt, ein Trugbild geschaffen, etwas aus der Luft gegriffen. Das Strategem beinhaltet neben der Vorspiegelung aber auch die Kreation von Gelegenheiten aus vorhandenen Ressourcen. Damit „macht man sich das hier unerschöpfliche Potenzial der vom Menschen noch ungeformten brachliegenden Wirklichkeit zunutze“ (Harro von Senger, aaO. S. 70). Hier zeigen sich Parallelen zur Vorgehensweise in der Mediation, bei der durch die Anwendung von Fragetechniken die bei den Parteien vorhandenen Ressourcen erschlossen werden. Dies gelingt vor allem dadurch, dass nicht gezielt lösungsorientiert gefragt wird und keine Lösungen präsentiert werden, sondern geduldig der Dialog mit den Menschen geführt wird.

Ressourcen nutzen

Zauberkünstler können keine Kaninchen „erschaffen“. Alles, was aus dem Hut gezaubert wird, war vorher bereits vorhanden. Hier ist eine Parallele zur Mediation vorhanden, bei der die erforderlichen Ressourcen bei den Parteien gefunden werden. Die Kunst der Mediation besteht darin, diese vorhandenen Ressourcen freizulegen und zu nutzen. Die Zauberkünstler müssen allerdings vorher das Kaninchen beschaffen und während des Tricks vor dem Publikum verbergen. In einer Mediation wäre das ein Kunstfehler. Vielleicht könnte man die Partei mit einer „aus dem Hut gezauberten“ Lösung ähnlich überraschen wie ein Zauberkünstler und in einzelnen Fällen mag eine solche Lösung sogar akzeptiert werden. Nachhaltig im Sinne der Mediation wäre aber nur eine tatsächlich bei den Parteien bereits vorhandene und in der Mediation lediglich zum Vorschein gebrachte Lösung.

Aktives Zuhören

Ein wichtiges Element der Zauberkunst besteht darin, etwas zu tun, was die Aufmerksamkeit der Zuschauer beansprucht, während parallel dazu unbemerkt ein anderer Prozess abläuft, der schließlich zum überraschenden Ergebnis führt. Betrachtet man es so abstrakt, kann man schöne Parallelen zur Mediation finden, die ebenfalls psychologische neurologische Erkenntnisse nutzt.

Beim aktiven Zuhören bzw. Loopen findet ein Gespräch zwischen zwei Personen statt. Die Konfliktpartei berichtet und ihre Aussagen werden jeweils im Rahmen der Mediation mit leicht anderen Wortlaut wiederholt. Parallel dazu läuft verdeckt im Kopf der anderen Beteiligten ein wichtiger Prozess statt. Die anderen Beteiligten können sich dem Prozess nicht entziehen, sie wollen schließlich alles mitbekommen, was in der Mediation passiert. Durch die Wiederholung der durchaus bekannten Aussagen in anderen – weniger scharfen und angreifenden – Worten sowie die Vertiefung der Darstellung ergänzt sich allerdings unbewusst ihr eigenes Weltbild durch die Sichtweise der anderen Partei. Das eigene Selbstbild wird durch das Fremdbild und der Blick auf die andere Partei durch deren Selbstbild ergänzt. Dieser Erkenntnisprozess ist zentrales Element der Mediation.

Auch der Überraschungseffekt verbindet Mediation häufig mit Zauberkunst. Wenn sich der durchaus heftige und auch mit Wut und Ärger verbundene Streit in einer Mediation ab einem bestimmten Punkt in einen positiven Dialog wandelt, mutet das durchaus wie Zauberei an.

Justitia

Im Wiki to Yes (https://www.wiki-to-yes.org) wird zur Erklärung der Mediation eine Zeichnung von Heinisch verwendet. Dort sieht man die Parteien der Mediation, getrennt durch eine rote Backsteinmauer. Ganz klein vor dieser Mauer sitzt Justitia mit verbundenen Augen und der Waage in der Hand. Auf der anderen Seite der Mauer steht ein großer Spiegel, mit dem die Parteien sich anschauen können. Der Spiegel zeigt die andere Person aus einer anderen Perspektive als es der direkte Blick über die Mauer wäre, wenn die Personen aufstehen würden. Durch den Spiegel wird ein Wechsel der Perspektive angedeutet. Die Person, die die Mediation leitet, ist hinter dem Spiegel verborgen, man sieht nur die Finger.

Bedeutung der Perspektive

In der Fernsehserie „Deception“ erklärt der Magier Cameron Black zu Beginn der zweiten Folge, dass es im Leben oft um die richtige Perspektive geht. Er beschreibt, dass wir unsere Perspektive für völlig normal und die richtige Beschreibung der Wirklichkeit sehen, was allerdings aus seiner Sicht eine „Lüge“ ist. Erst wenn man die Perspektive wechselt kann man die Dinge erkennen, die man vorher nicht wahrgenommen hat und kommt damit der Wirklichkeit näher. Black hilft dem FBI in dieser Serie mit seinen Fähigkeiten als Zauberkünstler, schwierige Fälle aufzuklären und nutzt dabei häufig den Perspektivwechsel. Perspektivwechsel ist auch eine effektive Technik in der Mediation, mit der wir den Menschen zu einem Erkenntnisgewinn verhelfen, der letztlich den Weg zu einer einvernehmlichen Lösung ebnet.

Während aber die Zauberkünstler sehr darauf achten, zumindest die besten ihrer Tricks geheim zu halten, funktionieren die Tricks der Mediation auch, wenn die Beteiligten sie kennen und sogar dann, wenn sie vor der Anwendung erklärt werden.

Dr. Thomas Lapp, Rechtsanwalt und zertifizierter Mediator, Fachanwalt für IT-Recht


Suche nach Mediatoren

Mediator finden