Mediationstätigkeit des Anwalts – einem Organ der Rechtspflege
Von Uwe Kappmeyer, Rechtsanwalt und Mediator, Hannover
Die Mediationstätigkeit der Anwältinnen und Anwälte in Deutschland ist faktisch eine Erscheinungsform der im Gesamtsegment überprofessionellen Tätigkeit verschiedenster Berufsträger, seien diese selbständig, freiberuflich, gar verkammert tätig, akademisch ausgebildet – oder auch nicht.
Die Qualität des Mediators scheint aktuell in der anwaltlichen Diskussion eine, manchmal sogar die zentrale Frage der Zertifizierung zu sein. Aber nicht jeden anwaltlichen Mediator treibt diese Frage wirklich.
Den Verfasser dieses Beitrags treibt eine ganz andere, auf sein Selbstverständnis als Rechtsanwalt bezogene Frage: Kann ich in der Funktion als Mediator nicht Organ der Rechtspflege sein? Was relevant wird, wenn die Mediaten Lösungen erwägen,
- die sittenwidrig,
- rechtlich undurchführbar etwa wegen einer unzulässigen Drittbelastung oder
- derart krass ungerecht erscheinen, dass es einem -unbemerkt- körperlich übel wird.
Im eigenen Beritt, dem OLG-Bezirk Celle, interessiert bekanntlich in den letzten Jahren die Frage, ob anwaltliche Dienstleistung durch einen zugelassenen Rechtsanwalt und Tätigkeiten eines nichtanwaltlichen Mediators in einem einheitlichen Organisationsrahmen entfaltet werden dürfen. Der Anwaltsgerichtshof Niedersachsen verneinte dies, indem er die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht nicht gewährleistet sah, wenn ein nicht selbst gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichteter Mediator der Bürogemeinschaft angehört (Urteil vom 22. Mai 2017, AGH 16/16). Der Ansatz der gesetzlichen Verschwiegenheit überzeugt insoweit nicht, denn die Verschwiegenheit ist unverzichtbarer Bestandteil einer jeden Mediationsvereinbarung und insoweit sehr wohl auch vom Nicht-Anwalt gewährleistet. Aber darf ein Anwalt als Organ der Rechtspflege auch Dinge geschehen lassen, die eindeutig und klar rechtlich nicht zur Disposition der problembehafteten Hilfesuchenden stehen?
Der Bundesgerichtshof – etwa in seiner Entscheidung vom 21.09.2017, IX ZR 34/17 – erkennt durchaus an, dass Rechtsanwälte nicht stets und zwingend anwaltliche Dienstleistungen erbringen und damit dem Geltungsbereich der Bundesrechtsanwaltsordnung unterliegen. Also kann die Organstellung wie ein Mantel abgelegt werden, wenn mediiert wird? Und Recht „inter partes“ jenseits unserer Rechtsordnung seine Duldung finden?
Wohl kaum, denn das Bundesverfassungsgericht - etwa im Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27.6.1996, NJW 1996, 3267 - fasst den Aufgabenbereich des Anwalts als Organ des Rechtspflege über die Rechtsdienstleistung hinaus weiter und stellt auf den berufenen Berater und Vertreter der Rechtssuchenden im Findungsprozess nach einer sachgerechten Entscheidung ab samt dessen Pflicht, den rechtsunkundigen Mandanten vor Rechtsverlusten zu schützen. Gewähr für eine Sachdienlichkeit zu bieten geht weiter als eine Pflicht zur Rechtskonformität, denn diese ist auf den Einzelfall und die Gesamtheit der Bedürfnisse des jeweiligen Medianten bezogen.
Genau an diesem Punkt zeigt sich, dass der als Mediator tätige Anwalt eben Anwalt bleibt und als Organ der Rechtspflege einschreiten muss, wenn sich Unrecht zeigt, sei es in Form der Sittenwidrigkeit, der rechtlichen Undurchführbarkeit oder eines sonstigen krassen Unrechts.