Mediative Kompetenzen in Einigungs- und Vergleichsverhandlungen


Die Einbeziehung mediativer Kompetenzen in Einigungs- und Vergleichsverhandlungen schaffen ein gutes Verhandlungsklima und hilft den Konfliktparteien meist mehr als eine streitige Durchsetzung der Ansprüche nur einer der Konfliktparteien.

Wir geben das nicht gerne zu: zum in der Allgemeinheit wahrgenommenen Berufsbild von Rechtsanwält*innen gehört noch immer eher ein kompetitiver als ein kooperativer Verhandlungsstil. Das entspricht häufig auch der Erwartungshaltung unserer Mandantschaften. Das nötigt Respekt ab und stärkt den Ruf als „harter Hund“. Früher wurde deshalb - gerade als die Idee der Mediation noch neu war – vertreten, dass Rechtsanwält*innen für den Beruf der Mediator*innen nicht geeignet sind. Unabhängig davon, dass ein so stereotypes Rollenbild der Anwaltschaft nicht die Aufgabenvielfalt widerspiegelt, die von Rechtsanwält*innen wahrgenommen wird und auch nicht mit unserem Anspruch vereinbar ist, Organ der Rechtspflege zu sein, ist der „härtere Hund“ oft der, der gut und zielsicher verhandeln kann und so für seine Mandant*innen ein besseres Ergebnis erreicht.

Längst sind wir nicht nur Sprachrohr des Mandanten, sondern Konfliktklärer und Konfliktmanager. Wir müssen den Konflikt in all seinen Facetten aufnehmen und bearbeiten. In unserem modernen Rollenbild sind wir nicht nur der Streiter für die Sache des Mandanten, sondern auch dessen Begleiter, der gemeinsam mit dem Mandanten die für ihn beste Lösung sucht. Das Gerichtsverfahren mit seiner Beschränkung auf Anspruchsgrundlage, Tatbestand und dem anspruchsausfüllenden oder -erwidernden Vortrag ist zwar sehr gut, um eine Entscheidung in einer Rechtsfrage zu treffen, meist ist eine so zu entscheidende Streitfrage aber eingebettet in eine umfassende Konfliktstruktur und die Entscheidung dieser Streitfrage oft genug nur ein Teilaspekt eines umfassenden Konfliktes, den es zu lösen gilt.

Um den Mandanten daher eine umfassende Lösung zu bieten, müssen wir mehr tun. Wir müssen den ganzen Konflikt, soweit er einer Konfliktlösung zugänglich ist, behandeln und bearbeiten. Um das leisten zu können, sind Kenntnisse von Verhandlungstechnik und des mediativen Verhandelns wichtig und nach meiner Ansicht unerlässlich.

Zu jeder Verhandlung gehört eine Orientierungsphase, in der der Verhandelnde sich bemüht, den Verhandlungspartner kennenzulernen und sich ein Bild über dessen Verhandlungsstil zu machen. In dieser Phase kommt es zur Hypothesenbildung. Man orientiert sich über Größe und Umfang des Verhandlungsgegenstandes, lotet aus, mit welchen Vorstellungen der andere Verhandlungspartner in die Verhandlung kommt, und überlegt, was in der Verhandlung sinnvoller Weise besprochen werden sollte. Letztlich wird eine Themensammlung erarbeitet. Wenn dann die eigentliche Verhandlung beginnt, werden die strittigen Punkte besprochen. Jetzt werden die unterschiedlichen Verhandlungsstrategien sichtbar. Gerade hier können mediative Kompetenzen besonders hilfreich sein. Wir haben gelernt, Interessen und Positionen voneinander zu trennen und nach den Bedürfnissen der Protagonisten eines Konfliktes zu schauen. Wir wissen, dass es hilfreich ist, wenn ein Konflikt soweit es die Konfliktteilnehmer zulassen, versachlicht wird. Ebenso wissen wir, dass gute und nachhaltige Lösungen davon abhängig sind, dass alle Verhandelnden verstehen, worum es dem anderen geht. Insofern sind alle unsere mediativen Kompetenzen bei Verhandlungen gefragt, unabhängig davon, ob es sich bei der Verhandlung um eine Mediation handelt oder nicht.

In der dritten Verhandlungsphase geht es dann darum, ob sich die Verhandlungspartner annähern können oder ob die Verhandlung abgebrochen werden muss. Diese Verhandlungsphase wird zumeist besonders streitig geführt. Es werden Unterwerfungs- und Drohstrategien gezeigt. Wie gut, wenn wir mit mediativen Kompetenzen dafür sorgen können, dass sich der Lösungskuchen für alle Konfliktbeteiligten vergrößert. Also: in diesen Verhandlungen können wir besonders gute und nachhaltige Lösungen erreichen, wenn nicht nur auf das Verhandlungsziel des eigenen Mandanten geschaut wird, sondern besonders auch der Verhandlungsgegner und dessen Bedürfnisse in den Blick genommen werden. Idealer Weise erreichen wir auch in einer Verhandlung, die keine Mediation ist, eine Zusammenarbeit der Kontrahenten für eine gemeinsame Lösung. Dann kann für alle Beteiligten das beste Verhandlungsergebnis erreicht werden.

Verhandlungstechnik wird nicht oder nur selten an der Hochschule gelehrt. Sie ist aber unabdingbar in unserem Berufsleben, unabhängig davon, ob wir als Mediator*innen tätig sind oder ob wir Einigungs- und Vergleichsverhandlungen führen. Das Handwerkszeug aus der Mediation macht uns zu guten Verhandlern und gibt uns Gelegenheit, das ganze Spektrum der anwaltlichen Tätigkeit abzudecken. Der Ablauf einer Verhandlung mit seinen Verhandlungsphasen hat eine große Ähnlichkeit zu den Phasen der Mediation. Wenn wir es schaffen, unsere Mandantschaften auf den Weg zu einer kooperativen Verhandlungslösung mitzunehmen, werden wir für sie vermutlich einen größeren Benefit erwirtschaften, als wenn nur zu einem Teilaspekt eines Konfliktes eine Streitfrage entschieden wird.

Eine Befriedigung der Konfliktsituation ist nur zu erreichen, wenn auch eine Zufriedenheit mit einem Verhandlungsergebnis erreicht wird.

Wichtig ist, sich selbst und sein eigenes Verhandlungsverhalten zu reflektieren. Der wertschätzende Umgang in der Verhandlung auch mit dem Anliegen des Verhandlungsgegners hilft hier. Meist gibt es durchaus verschiedene Sichtweisen auf den Konflikt. Insofern helfen die erlernten Fähigkeiten des Anwaltsmediators auch in den weiteren beruflichen Aufgabenfeldern. Gut, dass wir schon Mediatoren sind.

Susann Barge-Marxen
Rechtsanwältin und Notarin
Mediatorin und Supervisorin
Fachanwältin für Erb- und Familienrecht
Schiedsrichterin für Erbstreitigkeiten
DSE EUCON Businessmediatorin


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