§ 253 Abs. 3 Nr. 1 ZPO – eine nicht zu beachtende Vorschrift?
Die Klageschrift soll die Angabe enthalten, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen (§ 253 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Welche Folgen hat es nun, wenn eine solche Angabe in der Klageschrift unterbleibt?
1. Zweck der Regelung
Die Regelung des § 253 Abs. 3 Nr. 1 ZPO wurde im Jahr 2012 in die ZPO aufgenommen. Der Grund hierfür bestand darin, dass sich die Parteien und ihre Anwälte spätestens beim Abfassen der Klageschrift mit der Frage auseinandersetzen sollten, ob sich ihr Konflikt nicht außergerichtlich beilegen lässt. Die Angabe gibt dem Gericht Anhalt für die Notwendigkeit einer Güteverhandlung und die Chancen einer gütlichen Einigung (§§ 278 Abs. 2, Abs. 5, 278a ZPO), sowie sogar für die Zulässigkeit der Klage in Fällen, in denen nach § 15a EGZPO ein vorprozessuales Schlichtungsverfahren durchzuführen ist.
2. Folgen der Nichtangabe
a) Unstreitig berühren Mängel beim nicht notwendigen Inhalt der Klageschrift, zu der auch die Angabe nach Abs. 3 Nr. 1 gehört, nicht die Zulässigkeit der Klage (vgl. nur Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 253 Rdnr. 24). Zu beachten ist aber § 15a EGZPO. Danach können die Bundesländer Gesetze erlassen, die in den in § 15 a EGZPO genannten Fällen eine obligatorische Streitschlichtung vorsehen. Davon haben viele Länder Gebrauch gemacht. Wird diese außergerichtliche Streitschlichtung vor Klageerhebung nicht durchgeführt, ist die Klage unzulässig.
b) Auch wenn die Klage zulässig ist, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Nichtbefolgung dieser Vorschrift keine negativen Konsequenzen für die klagende Partei hat. Ob negative Folgen drohen, wird in der Literatur unterschiedlich gesehen.
Nach einer Ansicht (Becker-Eberhard, Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 353 Rdnr. 187) hat die Regelung als Soll-Vorschrift lediglich Appellcharakter. Im Nichtbefolgungsfall könne sie Anlass zu Nachfragen des Gerichts sein, tauge aber nicht als Grundlage für ernsthafte Konsequenzen wie etwa die Verweigerung der Klagezustellung.
Nach anderer - weit verbreiteter - Ansicht (vgl. Foerste in: Musielak/Voit, ZPO, 19 Aufl. 2022, Rdnr. 36; Greger/Unberath, Mediationsgesetz, 2012, Teil 4 Rn. 35?ff.; Greger/Weber MDR Sonderheft 2012, 4; Thomas/Putzo/Reichold ZPO, 43. Aufl. 2022, Rdnr. 18) hat die Nichtangabe sehr wohl Konsequenzen. Fehle die Angabe, so könnten etwaige Nachfragen des Gerichts die Zustellung verzögern, was die Vorwirkung nach § 167 ZPO gefährden könne. Soll nämlich durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 BGB gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt. Die Vorwirkung tritt nicht ein, wenn die Zustellungsverzögerung allein vom Zustellungsbetreiber verursacht wurde. Dies ist gerade dann der Fall, wenn der Kläger keine Angaben macht, ob der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie sich nicht dazu äußert, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen. Die klagende Partei läuft also Gefahr, dass Fristen nicht gewahrt werden.
3. Zusammenfassung
Die als Sollvorschrift ausgestaltete Regelung des § 253 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ist sehr wohl zu beachten. Wird entgegen dieser gesetzlichen Regelung keine Angabe in der Klageschrift gemacht, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie erfolgt keine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen, kann dies dazu führen, dass die Vorwirkung nach § 167 ZPO nicht eintritt und daher Fristen versäumt werden.
Zudem sollten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte vor der Klageerhebung nochmals überlegen, ob nicht doch vor Durchführung eines streitigen Verfahrens eine außergerichtliche Konfliktbeilegung versucht werden soll. Wenn sie sich, wofür aus Anwaltssicht sehr gut Gründe sprechen können, für ein streitiges Verfahren entscheiden, sollten sie schon aus anwaltlicher Vorsicht in die Klageschrift die Angabe nach § 253 Abs. 3 Nr. 1 ZPO aufnehmen.
RA Dr. Hanns-Uwe Richter, Wirtschaftsmediator, zertifizierter Mediator