Weiterhin zurückgehende Zahlen bei den Güterichterverfahren


Entwicklung des Güterichterverfahrens

Wie im Jahr 2019 ist auch die Zahl der Güterichterverfahren im Jahr 2020 weiter zurückgegangen. Aktuelle Zahlen für das Jahr 2021 liegen noch nicht vor. Die entsprechende Statistik des Statistischen Bundesamtes weist für alle Gerichtsbarkeiten zusammen für das Jahr 2020 15.061 Prozesse aus, in welchen eine Verweisung zum Güterichter stattgefunden hat, wo hingegen es im Jahr 2019 noch 17.385 Verfahren waren. Inwieweit ein Einfluss der Covid-19-Pandemie hier eine Rolle spielt, kann im Ergebnis noch nicht festgestellt werden.

Bedauerlicherweise liegt im Schnitt die Verweisungsquote in den Verfahrensarten unter 1 %, was im Ergebnis bedeutet, dass nicht einmal jedes hundertste Verfahren den Weg zum Güterichter findet. Die Verweisungspraxis ist bundesweit völlig unterschiedlich. Es ist gleichsam ein Nord-Süd-Gefälle festzustellen. Wenn beispielsweise im Land Mecklenburg-Vorpommern noch über 15 % der Zivilverfahren vor den Landgerichten einen Weg zum Güterichter finden, so sind es beispielsweise in Berlin und Niedersachsen noch ca. 3,3 % bzw. 4,3 %. Demgegenüber gibt es bei den Landgerichten in der Mitte bzw. im Süden der Republik, wie beispielsweise in Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland lediglich eine Verweisungsquote von in etwa 0,1 % bis 0,3 % der Verfahren. Es liegt insoweit ganz offensichtlich eine unterschiedlich entwickelte Bereitschaft der Gerichte vor, sich alternativen Formen des Prozesses zu öffnen. Es stellt sich insoweit die Frage, welche Gründe für die vorgenannt beschriebene Situation herangeführt werden können. In erster Linie fehlt es leider immer noch an der mangelnden Erkenntnis der Werthaltigkeit und sehr hohen Erfolgsquote des Güterichterverfahrens. So konnten beispielsweise im Jahr 2019 von an den bayerischen Gerichten durchgeführten Güterichterverfahren insgesamt knapp 63 % zu einem positiven Abschluss geführt werden, so im Regelfall zu einem Prozessvergleich aber auch in einer Vielzahl von Fällen zu Regelungen, welche über den eigentlichen Streitgegenstand hinaus gingen.

Im Ergebnis steht außer Frage, dass die Güterichter nach wie vor viel zu wenig Fälle erhalten. Der – wenn auch bescheidene Instrumentenkasten der ZPO – findet immer noch zu wenig Anwendung. Dies beginnt schon damit, dass die Soll-Vorschrift des § 253 Abs. 3, Ziff. 1 ZPO nach wie vor in der Praxis umgangen wird. Insoweit wäre es wünschenswert, wenn der Gesetzgeber vorgenannte Soll-Vorschrift stärker ausgestalten würde. Bislang hat sich beim Verfasser der Eindruck verfestigt, dass die vorgenannte Vorschrift immer noch völlig unbekannt zu sein scheint.

Letztendlich sind hier die Kolleginnen und Kollegen gefragt, wie im Übrigen auch die Gerichte, welche ganz offensichtlich § 278 a ZPO immer noch zu wenig Bedeutung beimessen.

Es gibt also auch im Jahr 2022 noch viel zu tun, insbesondere viel Überzeugungsarbeit zu leisten, sowohl innerhalb der Kollegenschaft als auch in der Gerichtsbarkeit.

Stephan Schmidt-Jochum
Rechtsanwalt und zertifizierter Mediatior
Mitglied im geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Mediation im DAV


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